Dirigenten des Luftraumes
Zu Gast im Tower des Erfurter Flughafens
Es ist Ferienzeit und die Sehnsucht nach fernen Gefilden lässt uns in Flugzeuge und mit ihnen in die Lüfte steigen. Die Lüfte – im Fachjargon von Fluglotsen ist das der Luftraum, der ziemlich klar abgegrenzt und aufgeteilt ist in Verantwortungs- und Einsatzbereiche. Wir sind zu Gast auf dem Tower des Erfurter Flughafens und dürfen den Fluglotsen bei der Arbeit über die Schulter schauen. Sie unterstehen der Deutschen Flugsicherung.
Dass Piloten und die Bordcrew für unsere Sicherheit verantwortlich sind, dass wir uns mit Besteigen der Maschine in ihre erfahrenen Hände begeben, ist uns bewusst und allgegenwärtig. Dass aber am Boden bundesweit rund 2.000 Lotsen dafür sorgen, dass Flugzeuge sicher starten, fliegen und landen können, dringt eher selten in unser Bewusstsein.
Wir haben die Kanzel des Towers in 36 Metern Höhe erreicht, die Aussicht ist atemberaubend, Erfurt liegt uns zu Füßen. Die Sonne strahlt, etwas dunstig zeichnet sich der Horizont in weiter Ferne ab. An guten Tagen kann man den 90 Kilometer entfernten Brocken im Harz sehen, erfahren wir.
Die Erfurter Tower-Lotsen verantworten den Luftraum, der sich über 25 Kilometer Länge, 12 Kilometer Breite und 900 Meter Höhe erstreckt. Das ist „ihre“ Kontrollzone. Hat der Flieger diese Höhe erreicht, bzw. überfliegt ein Flugzeug die Erfurter Kontrollzone, übernehmen so genannte Center-Lotsen. Für Erfurt wird dieser Bereich des Luftraumes von München aus überwacht.
Verlässt also ein Flieger den Zuständigkeitsbereich der Tower-Lotsen, übernehmen die Center-Lotsen nahtlos das Kommando wie bei einer Staffelstabübergabe. Alle s.g. Überflüge, also solche ohne Landung in Deutschland, werden zentral in Karlsruhe kontrolliert.
Zurück zum Erfurter Tower: Eine Maschine nähert sich. Aufmerksam wird ihr Flug am Radarbildschirm verfolgt, werden Höhe und Geschwindigkeit zueinander ins Verhältnis gesetzt, wird der Landezeitpunkt definiert. Über Funk signalisiert der Lotse dem Piloten, dass die Piste frei ist. Wären die Sichtverhältnisse schlechter – Dunkelheit, Dunst, Nebel, Wolken – würde der Lotse entscheiden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um dem Piloten eine sichere Landung zu ermöglichen. Zum Beispiel die Befeuerung einzuschalten – so heißt die Beleuchtung der Piste. Eine Lichtanzeige mit vier nebeneinander positionierten Lichtern zeigt dem Piloten an, ob er auf der richtigen Höhe ist. Heute ist keine besondere Beleuchtung erforderlich, die Sicht ist gut, der Flieger kann problemlos landen. Tut er dann auch kurze Zeit später. Erst wenn er die Parkposition erreicht hat, ist die Arbeit des Lotsen getan.
Wir haben genügend Action-Filme gesehen, in denen Piloten bewusstlos wurden oder erpresst, bedroht und gezwungen, die Flugroute zu ändern und ja – in Zeiten des Terrors bedarf es keiner Actionfilme mehr. Was also passiert, wenn ein Flugzeug wider Erwarten die geplante Reiseroute verlässt? Zuerst bemerken dies die Lotsen. Denn um den Luftraum sicher zu machen, berechnen Sie, ob es eventuell zu Annäherungen kommen oder auch nur ein Flugzeug in die Verwirbelungen einer anderen Maschine geraten könnte. Die Lotsen geben auf Basis dieser Berechnungen die erforderlichen Flughöhen an die Piloten. Reagiert ein Pilot nicht – was schnell erkennbar wird, wenn er das vorgeschriebene Readback nicht gibt, also die Wiederholung der vom Lotsen gegebenen Anweisung, dann wird ein neuer Versuch gestartet, die Anweisung erneut gegeben, das Readback abgefordert. Sollte dies nicht erfolgen, greift ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Prozess, den wir im Detail nicht erfahren dürfen. So wie am vergangenen Wochenende geschehen. Nachdem sich die Besatzung des Flugzeugs per Funk nicht meldete, stiegen Bundeswehrjets auf. Diese zwangen die Maschine zur Landung in Stuttgart. Wie sich danach herausstellte, war das Funkgerät defekt.
„Im Luftverkehr ist alles geregelt mit hohen Sicherheitsstandards. Es sind Regularien, deren Anwendung immer wieder geübt wird. Es gibt unmittelbar zu ergreifende Möglichkeiten, Notfrequenzen, über die kommuniziert werden kann und bestimmte Codes zur Verständigung und Klärung der Situation.“, erklärt uns Stefan Jaekel, Medienbeauftragter der Flugsicherung Berlin.
Die Aufgabe der Lotsen ist hochkomplex, die zweidimensionale Darstellung auf dem Radarbildschirm gilt es, in die Dreidimensionalität des wirklichen Lebens zu übertragen: Potenzielle Kreuzungspunkte zwischen Flugzeugen sind rechtzeitig auszumachen und in präzise Anweisungen an die Piloten zu übersetzen bezüglich Flughöhe und -geschwindigkeit. Lotsen “dirigieren“ die Akteure im Luftraum. Nur ca. 10 bis 20 Minuten Zeit bleibt ihnen zur Vorplanung. Immer gilt es auch, Kontakt zu den angrenzenden Sektoren zu halten. Flugpläne werden erstellt und eingereicht. „Aber Flugpläne ändern sich ständig.“, sagt uns die erfahrende Towerlotsin Julia Lorenz. Verspätung beim Boarding, Wettereinflüsse, Wartezeiten bei Start oder Landung an anderen Flughäfen – die Liste ließe sich lang fortsetzen. Die Pläne zu kennen, sie praktikabel in den tatsächlichen Flugverkehr mit allen seinen Unwägbarkeiten umzusetzen, ist die Aufgabe der Lotsen. Dazu braucht es höchste Konzentration, viel Erfahrung, Teamfähigkeit und ein enormes Verantwortungsbewusstsein.
Und starke mentale Fähigkeiten. Wer Lotse werden will, hat deshalb hohe Hürden zu überwinden: Bewerben darf man sich zwischen 18 und 24 Jahren, Basis sind Abitur und gutes Englisch. Ein fünftägiger Test im Hamburger Zentrum für Luft- und Raumfahrt prüft u.a. Reaktionsschnelligkeit, Konzentrations-, Merk- und Multitaskingfähigkeit, das räumliche Vorstellungsvermögen. Medizinische Tests komplettieren das Programm. Auch späterhin werden Fluglotsen permanent Tests unterzogen. Darüber hinaus werden die Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass die Konzentration nicht nachlässt, die Sicherheit des Flugverkehrs durch subjektive Fehler nicht beeinträchtigt wird. Nach rund zwei Stunden Arbeit ist eine halbe Stunde Pause einzuhalten. Regelmäßig werden Fluglotsen zur Kur geschickt, mit 55 Jahren in den Ruhestand. Sie sind gefragte Leute, wer sich bewirbt, hat gute Aussichten – erfolgreich bestandene Tests und Begeisterung für die Luftfahrt vorausgesetzt – die dreijährige Ausbildung antreten zu dürfen. Vereinfachte Testaufgaben findet man unter www.dfs.de/dfs_karriereportal_2016/de/. So kann jedermann spielerisch prüfen, ob er eine Chance hat zu bestehen.
In Erfurt arbeitet ein Team von 12 Lotsen im 24-Stunden-Schichtdienst und sichert den Luftraum – ein gleichermaßen spannender wie abwechslungsreicher und verantwortungsvoller Beruf. Wir sagen danke für interessante Einblicke!
Autor: B. Köhler Fotos: S. Forberg
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Die Maschine ist sicher gelandet – dirigiert von den Tower-Lotsen.
Auszubildender Robin Braun beim Überwachen des Landeanfluges einer Germania-Maschine.
Zweidimensionale Darstellungen auf dem Radarbildschirm gilt es in in Dimensionen zu übersetzen.
Fluglotse Jonas Bötsch gibt dem Piloten die Instruktionen.
Julia Lorenz wollte nie einen klassischen Bürojob, ist seit 10 Jahren Lotsin, inzwischen auch Ausbilderin und Aufsichtführende im Erfurter Tower.
Stefan Jaekel, Medienbeauftragter der Deutschen Flugsicherung in Berlin ist gebürtiger Erfurter, hat im Erfurter Norden Kindheit und Jugend verbracht und ermöglichte uns den Besuch des Erfurter Towers.